DPRP.net – NL Progressive Rock Website – Issue No 065, 09.2024

Ich habe es schon einmal gesagt, und ich hoffe, ich werde es noch oft sagen: die Welt des Progressive Rock hält viele erstaunliche Überraschungen bereit. Die, auf die ich mich gerade beziehe, ist die eher unerwartete Rückkehr von Flame Dream. Eine Schweizer Band, die ab 1978 sechs Alben veröffentlichte, bevor sie von der Szene verschwanden. Ob sie sich tatsächlich aufgelöst haben oder ruhend geblieben sind, bis die Zeit reif war, um endlich wiederbelebt zu werden, weiss ich nicht. Aber nach 35 + Jahren Inaktivität bin ich sicher froh, dass sie zurückgekehrt sind.

Bestehend aus den ursprünglichen Gründungsmitgliedern Roland Ruckstuhl (piano, organ, keyboards, percussion), Peter Wolf (voice, flute, saxophones), Urs Hochuli (bass, design) und Pit Furrer (drums, percussion), ergänzt durch Alex Hutchings an den Gitarren, fällt bei Silent Transition als erstes die Länge der Songs auf. Mit einer Länge von sechs bis fünfzehn Minuten ist dies nicht das einzige Element, das Silent Transition mit den früheren Alben von Flame Dream gemeinsam hat. Ergänzt durch die nachdenklichen, reflektierenden Texte von Peter Wolf, zeigt die Musik auch eine wunderbare Rückkehr zu echter progressiver Songschmiedekunst von Komponist/Arrangeur Roland Ruckstuhl, die sich wieder einmal köstlich an Jazz-Fusion orientiert. Und nicht zu vergessen die authentische Vertrautheit, welche die Musik durch die wunderbar zeitlose Stimme von Peter Wolf ausdrückt. Er klingt genauso emotional, melancholisch und erhebend, wie ich ihn von damals in Erinnerung habe.

Auch ein Hauch von Synthie-Pop lässt sich manchmal noch ausmachen. Wie in No Comfort Zone, der track, welcher das Album in einem deutlich erfrischenden 80er-Jahre-Sound unheilvoll eröffnet. Vertraute Flame Dream-Sounds tauchen auf, mit einem erhebenden pop-melodischen Gefühl von Genesis und Victor Go. Um die fünfte Minute herum geht der Song jedoch elegant in eine Ambient-Passage über, die sich zu einem satten progressive rock Schwung entwickelt. Komplexe Arrangements und melodiöse Synthesizer leuchten hell mit UK. Die dynamische Snare-Drum nimmt mir zwar ein klein wenig Wärme weg. Aber wenn nach einem beängstigenden Satz die Melodien der Komposition für ein abschliessendes Segment von A.B.W.H.-Texturen mit feiner Gitarrenarbeit von Hutchings zurückkehren, fühle ich mich vollkommen wohl bei diesem Track No Comfort Zone.

Silent Transition, das mit einem rockigen guitar-riff beginnt, folgt einem ähnlichen kompositorischen Weg. Zunächst teilt es Synthie-getriebene Melodien, die an Saga erinnern. Die Traurigkeit in der Stimme von Peter Wolf und die eleganten Melodien des Songs erinnern an die Melancholie von Barclay James Harvest. Darauf folgt eine reizvolle Bossa-Nova-Samba à la Santana, die durch die jazzige Alan-Holdsworth-Gitarrenarbeit von Hutchings und das klassische Klavier von Ruckstuhl unterstrichen wird. Hier werden Erinnerungen an Steve Negus' Economy Of Motion wach. Mit einem zurückhaltenden Wechselspiel auf das lebhafte brasilianische Thema kehrt der Song schliesslich zu seinem rockigen Anfang zurück. Nach mehreren Saga-ähnlichen Darbietungen endet er ruhig mit einer zärtlich transportierenden, flüchtigen Flöte, die sanft mit Genesis-Allüren flüstert.

Nach einem Einstieg mit trostlosen, eiskalten Atmosphären mischt auch das Highlight des Albums, Velvet Clouds, zunächst funkelnde, vielschichtige Pop-Melodien, die an Jon Anderson und Victor Go erinnern. Es driftet in einer Ambient-Umgebung an Land und ergibt, angeregt durch ein Klavier, schliesslich eine fesselnde Holdsworth-Fusion, die von ungeraden Taktarten und harmonischem Zusammenspiel lebt. Roland Ruckstuhl fügt reiche Schichten von virtuosen Synthesizern hinzu. Zusammen mit den reizvollen, bassgetriebenen Melodien glänzt die zweite Inkarnation von UK erneut, und zwar über alle Massen. Gerard, Deja Vu, Andrew Roussak und E.L.P.-Fans aufgepasst!

Emotional aufgeladen mit einer spürbaren Last der Melancholie, folgt Out From The Sky mit sensibel gedämpften Melodien, die sehr stimmungsvoll klingen, während die Subtilität der Orchesterarrangements und die ausdrucksstarke Stimmevon Peter Wolf im Einklang mit der lyrischen Aussage ein spirituelles Gefühl der hoffnungsvollen Erleichterung bieten. Ein Aspekt, den das instrumentale Signal On The Shores in Hülle und Fülle bietet, wenn es von einem Pool der Einsamkeit, umgeben von hymnischen Stimmen, in einen grossen Ozean attraktiver Melodien voller Vielfalt und Dynamik eintaucht. Hutchings wunderbare, transportierende Gitarrenmotive liefern ein grosses Leuchtfeuer der Hoffnung, das von Camel entzündet wird.

Gekonnt hebt sich Winding Paths das Beste für den Schluss auf und bietet einmal mehr progressive Fusion mit opulenten, einfallsreichen Rhythmen und vielen kreativen musikalischen Ideen. Diesmal durch knisternde Synthies, Percussion und helle Melodien. Diese erinnern stark an frühere ABWH-Erkundungen, denen Hutchings einen weiteren fabelhaften Hauch von Holdsworth-Fusion hinzufügt. Eine überraschende Kombination aus orchestralen Geigenarrangements, dem unverwechselbaren Schlagzeugsound/-rhythmus und der Gesang von Peter Wolf weckt verlockende Erinnerungen an FMs City Of Fear. Perfekt synchron und harmonisch während des promenierenden instrumentalen Workouts des Songs, endet dieser exzellente Song schliesslich in einer anmutigen, orchestralen, langen Coda, die eine ruhige Ambient-Reflexion bietet, die zutiefst befriedigt.

Tiefe Zufriedenheit ist die gleiche Schlussfolgerung, die ich für das Album Silent Transition ziehen kann. Independent auf ihrem nun eigenen Label mit exzellentem cover-art von Urs Hochuli im CD-digipack veröffentlicht und von einem 20-seitigen Booklet begleitet, halte ich das Album für ihr bisher abenteuerlichstes und durchweg reifstes Werk. Als solches kann es problemlos mit den besten ihrer Alben mithalten. Für mich tut es das fast mühelos und übertrifft offen gesagt jedes einzelne dieser besseren Werke.

Soweit ich weiss, ist dies nur der Anfang von etwas aufregend Neuem. Die Arbeit an einer Fortsetzung befindet sich bereits in einem frühen Stadium. Wahrscheinlich ist es nicht nötig, das nach so vielen Worten zu sagen, aber ich sehe dem mit grosser Erwartung entgegen. Eine Aussage, die ich auch für die längst überfälligen offiziellen Digital-/CD-Ausgaben ihrer früheren progressive rock Alben machen muss, welche die Band bald endlich ab 2025 veröffentlichen will. Hoffentlich alle, denn jedes dieser Alben verdient auf seine Weise die künstlerische Anerkennung. Willkommen zurück!

Jan Buddenberg